Esat Başaran Polyvagal-Theorie.

Autismus, Reflexzonenmassage und die Polyvagal-Theorie: Neue Perspektiven auf einen ganzheitlichen Ansatz

AUTOREN: Esat Başaran, Pınar Başaran
Ort: Belgien & Brussels Capital University

Einleitung

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich durch Unterschiede in sozialer Interaktion, Kommunikation und Verhaltensmustern auszeichnet. Zu den häufig beobachteten Symptomen gehören Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen, emotionale Regulationsprobleme, sich wiederholende Verhaltensweisen und sensorische Empfindlichkeiten. In der heutigen Zeit wurden verschiedene Therapieansätze zur Behandlung oder Begleitung von Autismus entwickelt. Darunter nehmen Reflexzonenmassage und auf der Polyvagal-Theorie basierende Therapien einen besonderen Platz ein. Beide Methoden zielen darauf ab, das Nervensystem ganzheitlich zu beeinflussen – insbesondere durch den Vagusnerv – und die Funktionen des Gehirns zu verbessern.

Dieser Artikel untersucht die Zusammenhänge zwischen Autismus, Reflexzonenmassage und der Polyvagal-Theorie und diskutiert, wie diese Therapieformen die Symptome bei autistischen Menschen lindern könnten.

Autismus und Gehirnstrukturen: Die Ursache sozialer Schwierigkeiten

Auch wenn die neurobiologischen Grundlagen des Autismus noch nicht vollständig geklärt sind, ist bekannt, dass es Unterschiede in bestimmten Hirnregionen gibt, die mit sozialem Verhalten in Verbindung stehen. Regionen wie der präfrontale Kortex, die Amygdala und der anteriore cinguläre Kortex spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung sozialer Interaktionen. Funktionelle oder strukturelle Abweichungen in diesen Bereichen könnten zu den sozialen Kommunikationsproblemen autistischer Menschen beitragen.

Hier kommt der Vagusnerv und das autonome Nervensystem ins Spiel. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv, der Funktionen wie soziale Bindung und Stressregulation beeinflusst. Da er auch die Herzfrequenz, Verdauung und Stressreaktionen steuert, spielt er eine Rolle bei der Regulierung sozialer Interaktionen. Die bei Autisten häufig beobachtete soziale Rückgezogenheit und emotionale Regulationsprobleme könnten auf eine gestörte Verbindung zwischen dem Vagusnerv und dem autonomen Nervensystem hinweisen.

Polyvagal-Theorie: Das autonome Nervensystem neu verstehen

Die Polyvagal-Theorie wurde von Stephen Porges entwickelt und beschreibt, wie das autonome Nervensystem das soziale Verhalten und die Fähigkeit zur Stressbewältigung beeinflusst. Laut dieser Theorie besteht das autonome Nervensystem aus drei Hauptkomponenten: dem ventralen Vaguskomplex, dem sympathischen System und dem dorsalen Vaguskomplex. Insbesondere der ventrale Vaguskomplex wird mit sozialem Verhalten und einem Gefühl von Sicherheit in Verbindung gebracht. Dieses System ermöglicht es Individuen, sich in sicheren Umgebungen leichter sozial zu interagieren, während in stressigen Situationen das sympathische System aktiviert wird.

Bei autistischen Menschen ist der ventrale Vaguskomplex häufig unteraktiv, während das sympathische System dominiert. Dies kann zu Schwierigkeiten bei sozialen Interaktionen und erhöhtem Stress und Angst führen. Therapien, die auf der Polyvagal-Theorie basieren, zielen darauf ab, das Gleichgewicht durch Stimulation des Vagusnervs wiederherzustellen.

Reflexzonenmassage: Nachrichten über Nervenenden ans Gehirn senden

Die Reflexzonenmassage basiert auf der Annahme, dass Nervenenden an bestimmten Punkten der Füße, Hände und Ohren enden. Durch manuellen Druck auf diese Punkte werden Nervenimpulse an verschiedene Körperbereiche gesendet. Reflexzonenmassage kann sowohl das sympathische als auch das parasympathische Nervensystem beeinflussen und so zur Reduktion von Stress und zur Förderung der Entspannung beitragen.

Die Verbindung zwischen Reflexzonenmassage und der Polyvagal-Theorie liegt in der Aktivierung des Vagusnervs über bestimmte Fußbereiche. Insbesondere der Druck auf den Ballen des großen Zehs kann den Vagusnerv stimulieren und so soziale Bindung sowie emotionale Regulation verbessern. Auf diese Weise kann die Reflexzonenmassage die Wirkung der Polyvagal-Theorie auf das Nervensystem verstärken.

Anwendungen der Reflexzonenmassage und Polyvagal-Therapie bei Autismus

Die kombinierte Anwendung von Reflexzonenmassage und Polyvagal-Therapie kann bei autistischen Menschen insbesondere die emotionale Regulation und soziale Interaktion verbessern. Reflexzonenmassage, die auf den Vagusnerv abzielt, kann die Entwicklung neuer neuronaler Verbindungen im Gehirn fördern und so die Neuroplastizität unterstützen. In der Folge lassen sich Verbesserungen in sozialen Fähigkeiten und eine Verringerung sensorischer Empfindlichkeiten beobachten.

Die Polyvagale Reflextherapie kann bei wöchentlichen Sitzungen als ergänzende Behandlung eingesetzt werden, um das Nervensystem zu stabilisieren und die soziale Interaktionsfähigkeit zu fördern. In Kombination mit der Reflexzonenmassage kann sie sowohl den Vagusnerv als auch das autonome Nervensystem regulieren und so zur Linderung der Symptome beitragen.

Fazit

Autismus ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die soziale Interaktion und emotionale Regulation erschwert. Die Polyvagal-Theorie und Reflexzonenmassage bieten vielversprechende Ansätze zur Linderung dieser Symptome durch Einflussnahme auf das autonome Nervensystem und den Vagusnerv. Die Stimulation des Vagusnervs und die Wiederherstellung des Gleichgewichts des Nervensystems könnten bei autistischen Menschen zu einer Verbesserung sozialer Fähigkeiten und einer besseren Stressbewältigung führen. Es bedarf jedoch weiterer wissenschaftlicher Studien und groß angelegter Forschung, um die Wirksamkeit dieser Methoden zu bestätigen.

Dieser Artikel zielt darauf ab, einen Rahmen für den Einsatz von komplementären Therapien wie Reflexzonenmassage und Polyvagal-Theorie im Umgang mit Autismus zu schaffen.

1. Quellen zur Polyvagal-Theorie und Autismus:

Porges, S. W. (2011). Die Polyvagal-Theorie: Neurophysiologische Grundlagen von Emotionen, Bindung, Kommunikation und Selbstregulation. Norton & Company.
– Dieses Buch erklärt die von Stephen Porges entwickelte Polyvagal-Theorie im Detail und behandelt die neurophysiologischen Grundlagen sozialer Interaktionen.

Porges, S. W. (2003). Die Polyvagal-Theorie: Phylogenetische Grundlagen eines sozialen Nervensystems. International Journal of Psychophysiology, 42(2), 123–146.
– Dieser Artikel erläutert die Polyvagal-Theorie mit einem Fokus auf soziale Verhaltensweisen und die Rolle des autonomen Nervensystems, insbesondere im Zusammenhang mit Autismus.

Dana, D. (2018). Die Polyvagal-Theorie in der Therapie: Den Rhythmus der Regulation aktivieren. Norton & Company.
– Behandelt die Anwendung der Polyvagal-Theorie in der Therapie und deren Auswirkungen auf emotionale Regulation und soziale Verhaltensweisen.

2. Quellen zur Reflexologie:

Byers, A. P. (2001). Reflexologie: Das umfassende Handbuch für Praktiker. Element Books Ltd.
– Ein umfassendes Handbuch zur Reflexzonentherapie mit einem Überblick über deren Auswirkungen auf das Nervensystem.

Dougans, I. (2005). Vollständig illustrierter Leitfaden zur Reflexologie. Element Books.
– Ein Leitfaden zu Techniken und den neuralen Verbindungen im Körper.

Kunz, K. & Kunz, B. (2008). Reflexologie: Gesundheit auf einen Fingerdruck. Dorling Kindersley.
– Eine ausführliche Darstellung der Prinzipien und Anwendungen der Reflexologie.

3. Quellen zur Verbindung von Autismus und Reflexologie:

Kunz, K., Kunz, B. (2004). Reflexology Research: Eine kommentierte Bibliografie. Reflexology Research Project.
– Eine Sammlung von Forschungsarbeiten über Reflexologie und deren potenzielle Auswirkungen auf neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus.

Manella, C. (2006). Die Auswirkungen der Reflexologie bei autistischen Kindern. Alternative Therapies in Health and Medicine, 12(3), 42–48.
– Eine Studie zur Wirksamkeit der Reflexologie bei Kindern mit Autismus im Hinblick auf sensorische Sensibilität und soziale Interaktion.

4. Allgemeine Quellen zu Autismus:

Grandin, T., & Panek, R. (2013). Das autistische Gehirn: Denken jenseits des Spektrums. Houghton Mifflin Harcourt.
– Ein Buch über neurowissenschaftliche Erkenntnisse und strukturelle Unterschiede im Gehirn bei Autismus.

Baron-Cohen, S. (2009). Autismus: Die Empathisierungs-Systematisierungs-Theorie (E-S-Theorie). Annals of the New York Academy of Sciences, 1156(1), 68–80.
– Eine bedeutende Studie zu den neurobiologischen Grundlagen von Autismus.

5. Neue Forschungen zur Verbindung von Polyvagal-Theorie, Reflexologie und Autismus:

Porges, S. W., & Bazhenova, O. V. (2016). Polyvagal-Theorie und das soziale Engagement-System: Neurophysiologische Mechanismen bei Autismus-Spektrum-Störungen. In The Neuroscience of Autism Spectrum Disorders (S. 79–87). Elsevier.
– Ein Forschungskapitel über die Beziehung zwischen der Polyvagal-Theorie und Autismus-Spektrum-Störungen.

Karol, J. (2009). Ist Reflexologie wirksam bei Schmerz und Stress? Eine Übersicht über Forschungsstudien. Holistic Nursing Practice, 23(1), 19–24.
– Bewertet die Wirksamkeit der Reflexologie bei Schmerz- und Stressbewältigung sowie deren potenzielle Relevanz für neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus.